Curriculum und Stundenzahlen


Lernfelder einer eigenverantwortlichen und berufsbegleitenden Ausbildung1zum Waldorfpädagogen

Lern- bzw. Erfahrungsfelder

Zunächst werden die verschiedenen Felder charakterisiert und gegliedert. In einem zweiten Teil findet sich dann die Gewichtung der einzelnen Lernfelder.
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Künstlerisches

Der Waldorfpädagoge versteht sich als Erziehungskünstler. Er gestaltet aus seinem wachsenden Welt- und Menschenverständnis heraus die Lernfelder der Schüler bzw. seiner Klasse. Das Lernen des Einzelnen findet in einer Begegnungssituation statt. Diese bietet gleichermaßen Vertrauens- und Motivationsraum.

Der Pädagoge gestaltet diese Begegnung und wird damit zum Teil des Kunstwerks. Diese Grunderfahrungen des Künstlerischen in Betätigungsfeldern zu ermöglichen, die zunächst eine offensichtlichere Möglichkeit der Reflexion und der Selbstbeobachtung geben, als das Feld Begegnung und Unterricht.Das ist hier mit Künstlerisches gemeint.

Bewährt haben sich dabei Betätigungen, die zunächst keine langwierige Einarbeitung in bestimmte Fertigkeiten benötigen.2Künstlerische Betätigungen, die unmittelbar in ihrem eigenen Feld Erfahrungen ermöglichen und gleichzeitig dem Lehrerberuf entgegenkommen, sind beispielsweise:

  • Eurythmie
  • Sprachgestaltung
  • Singen, Musizieren
  • Plastizieren
  • Aquarellmalen

Trotzdem sei hier der Hinweis erlaubt, dass schlussendlich jedes Lebensfeld eine künstlerische Erfahrung bereithält, viele jedoch erschließen sich nur mittelbar.

Methodisch-didaktisches

Es haben sich in einer hundertjährigen Tradition didaktische Konzepte und Methoden entwickelt, die sich bewährt haben und als typisch „waldorf“ gelten. Dies als einen geschlossenen Kanon zu definieren wäre jedoch völlig falsch.

Eine Ausbildung zum Waldorfpädagogen muss daher in Blick nehmen, auf welchen Wegen, mit welcher Haltung der Unterrichtsstoff so aufgearbeitet und zunächst beim Lehrer vitalisiert wird, dass er für das einzelne Kind, wie die ganze Lerngruppe einen Entwicklungsimpuls aufgreift, diesen begleitet, herausfordert, verstärkt, absichert und klärt.

Dies ist keine Theorie sondern muss übende Praxis werden. Bewährt hat es sich anhand der Epochen des Hauptunterrichtes der Klassen 1 bis 8 in ein Verständnis der zugrundeliegenden Gedanken wie auch der gewachsenen Methoden und didaktischen Konzepte zu gelangen.3Im Wesentlichen zählt also die Fachdidaktik des Klassenlehrersdamit zu den zentralen Inhalten.

Anthroposophische Grundlagen

Hierzu zählt ein über die Anatomie, Physiologie und Psychologie hinausgehendes Verständnis des sich entwickelnden Menschen. Dies findet sich an vielen Stellen in Rudolf SteinersLebenswerk dargestellt. Das zentrale Werk ist jedoch hier die sogenannte Allgemeine Menschenkunde4,welche zur Gründung der ersten Waldorfschule entstanden ist.

Zu einem wirklichen Verständnis der Menschenwesens, gehört jedoch auch ein erweitertes Weltverständnis, denn die Entwicklung des Menschen, sowohl individuell wie auch als Kultur- und Gesellschaftsentwicklung findet in einem globalen Wirkungsfeld statt. Diesem in den einzelnen Daseinsfeldern nachzuspüren und einen empathischem Zugang zu finden, hilft wiederum dem Verständnis des Menschenwesens. So könnten folgende Themen behandelt werden:

  • Botanik
  • Zoologie
  • Geologie
  • Astronomie
  • Geschichte 
  • Kultur- und Kunstgeschichte

Kernmethode istdiegoetheanistische Betrachtungsart5. Diese versucht, über die Beschreibung der äußeren Gestalt hinausgehend, dem Betrachtungsgegenstand begegnend, ein inneres Verständnis der wirkenden Lebens- und Gestaltungskräfte zu bekommen.

In dieses Feld gehört auch die Beschäftigung mit dem eigenen Schulungsweg. Hier die wesentlichen Merkmale kennenzulernen und übend die ersten Schritte zu gehen, ist für die eigenen Entwicklung und für die spätere Ausübung des Berufs als Waldorflehrer unverzichtbar.

Selbstverwaltung

Im Rahmen eines selbstverwalteten Seminars ist dieses Feld existentiell. Und es ist damit das Alleinstellungsmerkmal. Neben den unmittelbar ins Auge springenden Aufgaben, geht es aber insbesondere darum, der Eigenverantwortung des Einzelnen einen angemessenen Rahmen zu geben.

Das zentrale Organ ist die Kurskonferenz. Diese hat folgende Themen:

  • Lernbedarf des Einzelnen wie des ganzen Kurses
  • Curriculum, Didaktik und Methoden
  • Studienordnung, Prüfungsordnung
  • Referentenbuchung, -betreuung 
  • Termine
  • Psychosoziales, Gruppendynamik, neue Seminaristen
  • Dokumentation6
  • Finanzen, Teilnehmergebühren
  • Seminarräume

Dies ist auch das zentrale Wirkungs- und Wahrnehmungsfeld des Seminarbegleiters.

Praktika

Für die Bezuschussung des Kurses durch den BdFWS ist es wichtig, dass der Kursteilnehmer seine Zukunft tatsächlich als Waldorflehrer sehen kann. In den meisten Fällen7ist dazu ein Praktikum8erforderlich. Dies soll sicherstellen, dass das Berufsfeld des Waldorflehrers eine Zustimmung erfährt. Dies ist nicht durch eine schlichte Hospitation zu leisten. Es muss dort eine eigene und mit dem Mentor reflektierte pädagogische Tätigkeit9gedacht werden.

Aus der Sache heraus ergibt sich, dass das Praktikum vor der Aufnahme der Ausbildung oder innerhalb der ersten Monate absolviert werden sollte.

Fachdidaktik für den Fachunterricht

Neben dem Hauptunterricht des Klassenlehrers werden an einer Waldorfschule selbstverständlich auch Fachunterrichte gegeben. Für diese Fächer kann die Fachdidaktik nicht im Rahmen eines berufsbegleitenden Seminars absolviert werden. Der Kanon ist dafür zu vielfältig. Die einzelnen Kurse können während der Teilnahme am berufsbegleitenden Seminar absolviert werden. Aber auch noch zwei Jahre nach der Abschlussprüfung ist eine Teilnahme möglich.

Der AuRat des Bundes stellt aus dem Fortbildungsverzeichnis eine Liste der möglichen Fachdidaktikausbildungen zusammen. Die Teilnehmergebühren an diesen Kursen, wie die Fahrtkosten werden für diese Kurse vom Bund übernommen. Dafür ist die Liste kurz nach Herausgabe durchzusehen, die entsprechenden Fachdidaktiken herauszusuchen und wieder an den AuRat zurückzuschicken. Für das Procedere vor Ort ist der Seminarbegleiter Ansprechpartner.

Praxisausbildung

Dieser ganze Ausbildungsgang kann aber nur als Vorbereitung auf die Praxisausbildung gesehen werden. Diese wird in Niedersachsen und Bremen von der Lehrerbildung in der Praxis [LiP]sowohl inhaltlich wie organisatorisch übernommen.

Gewichtungen

Vom AuRat des BdFWS wird eine Stundenzahl von 1000 Unterrichtseinheiten [UE] vorgegeben. In diesen sollen die ersten drei Kernthemen10in einer ausgewogenen Mischung enthalten sein. Nicht alles muss davon in einer seminaristischen Kursarbeit absolviert werden. Maximal 150 UE lassen sich auch als individuelle Arbeit darstellen. Auch lassen sich hier beispielsweise externe Kurse, Exkursionen etc. denken11.

In diesen 1000 UEs findet sich das Arbeitsfeld der Selbstverwaltung zunächst nicht wieder. Da aber – wie die Erfahrung eindrücklich zeigt! – die Selbstverwaltung sehr wohl einen vertiefenden und vitalisierenden Einfluss auf die Erarbeitung und Auseinandersetzung mit den Kernthemen hat, erhöht die Selbstverwaltung nicht die Gesamtstundenzahl.

Tabelle

Die Zahlen der UEs, die sich hinter jedem Themenfeld finden, sind Richtwerte.

ThemenfeldBemerkungUEs
KünstlerischesEurythmie, Sprachgestaltung, Musik, Plastizieren, Malen…
Eigenarbeit möglich
280
Methodisch-DidaktischÜbersicht Lehrplan, Fachdidaktik des Klassenlehrer,
Eigenarbeit möglich
280
GrundlagenMenschenkunde, anthroposophisches Weltverständnis, Schulungsweg,
Eigenarbeit möglich
280
SelbstverwaltungCurriculum, Studien- und Prüfungsordnung, Organisation, Verwaltung150

Zwischensumme990
PraktikumKeine Hospitation! 
FachdidaktikFür reine Fachlehrer (Fremdsprachen, Oberstufe etc.)200
FachdidaktikZusatzfach für Klassenlehrer (Fremdsprachen etc.)120
EigenarbeitInnerhalb der drei Kernthemen150
Praxisausbildungbeispielsweise LiP, in Vollzeit!1400

Hier gibt es das Dokument als PDF. Bramsche, im März 2019

1 Im Anschluss findet sich eine Zusammenschau dessen, was der Ausbildungsrat [AuRat] des Bundes der Freien Waldorfschulen [BdFWS] als Qualitätsstandard vorgibt und dem, was sich aus den gemachten Erfahrungen im Freien Seminar für Waldorfpädagogik Evinghausen [FSWE] zu einem Gelingen der Ausbildung sagen lässt.

2 Letztere eigenen sich beispielsweise hervorragend, um bei sich selbst den eigenen Lernvorgang in den Blick zu nehmen.

3 Die in diesen Unterrichten behandelten Inhalte sollten dabei keine Hürde darstellen, zählen sie doch zu einer etwas breiter aufgestellten Allgemeinbildung.

4 Dabei handelt es sich um zwei Vorträge und eine sogenannte Seminarbesprechung, die jeweils an einem Tag stattgefunden hat.

5 Hier schließt sich einer der verschiedenen Kreise: Der goetheanistische Zugang eröffnet auch das angemessene und zielführende Verständnis, sich die Unterrichtsinhalte zu erschließen. Diese Methode des nachgestaltenden Denkens klärt auch das Verständnis des Soseins des Kindes.

6 Hierzu gibt es ein weiteres Dokument, das die Anforderungen an die Dokumentation beschreibt, die dem AuRat vorgelegt werden muss.

7 Hier muss individuell gesehen werden, was angemessen ist. Ein bereits tätiger Waldorflehrer, der im Seminar seine Ausbildung nachholt, braucht natürlich kein Praktikum!

8 Die rechtlichen Voraussetzungen für diese postgraduierten Ausbildung werden an einer anderen Stelle erläutert.

9 Selbstverständlich ist hier nicht gemeint, dass ganze Unterrichtsstunden übernommen werden. Aber kleine, in sich abgeschlossene Teile eines Hauptunterrichtes, beispielsweise das Erzählen, sind hier denkbar. Dies gilt auch für tätige Lehrer aus anderen Schulformen. Die Wirklichkeit der Waldorfschule ist zuweilen überraschend anders.

10 Kernthemen sind im obigen Sinne: Künstlerisches, Methodisch-Didaktisches, anthroposophische Grundlagen

11 Für alle diese Lern- bzw. Arbeitssituationen ist eine gute auch inhaltliche Dokumentation essentiell!